Jürgen Kuhlmann: Kat-holische Gedanken

Warum nicht auch mal brotlos?

Von Jürgen Kuhlmann und Johannes Grabmeier


Das Mahl ist zu Ende. Das übrig gebliebene Brot wird abgetragen. Weiter fließen Gespräch und Wein, der des Menschen Herz erfreut. Wie können wir Kirche sein? ist das Thema.

Plötzlich ist da eine Idee, frappant die Parallele. Eßt alle davon, trinkt alle daraus, weist Jesus die Seinen an. Und was geschieht? Der Klerus, Herr in der Kirche, nimmt der Gemeinde den Wein weg, verteilt bloß Brot. Hier hat die Frau des Hauses das Brot weggeräumt, der Wein bleibt.

Beide Male um der Ordnung willen und mit der Versicherung, die eine Gestalt reiche zur Gültigkeit der Feier vollkommen aus. Das stimmt, in beiden Fällen. Hier sind wir längst satt; in der Liturgie sind Leib und Blut des Auferstandenen beisammen, als halbes Zeichen enthält jede Gestalt auch ohne die andere den vollen Sinn, die ganze Wirklichkeit des für uns Mensch gewordenen, in uns Mensch werdenden Gottes. So weit, so kirchenklar.

Wenn unter der Gestalt des soliden, festgefügten Brotes auch der sakramentale Sinn des feurig-flüssigen Weines wahrhaft da ist: warum dann nicht auch einmal die umgekehrte Einseitigkeit erleben und zu einem packenden Zeichen ausgestalten?

Wie kann eine kleine, feiernde Gemeinde des katholischen Gottesvolkes die Verheißung Jesu beim Letzten Abendmahl "Tut das zu meinem Gedächtnis!" auch dann vollziehen, wenn gerade kein Mann mit kanonischer Konsekrationskompetenz anwesend ist? Eucharistie im vollen Sinn kann sie nicht feiern, weil jene, die das können, leider nicht wollen, daß andere Männer wie Frauen, die es gern täten, dies auch dürfen. Man kann aber den Sinn des Sakramentes - Liebe und Danksagen (eucharistein) - defizitär auch ohne sein äußeres Zeichen darstellen: als Agapefeier.

Eine Proportionalgleichung bietet sich an: Wie Brot ohne Wein sich zu Wein ohne Brot verhält, so kirchenrechtliche Korrektheit ohne Geschwisterlichkeit zu lebendiger Gemeinschaft ohne kanonische Effizienz. Warum also nicht eine Agapefeier mit dem Wein im Mittelpunkt und brotlos für fast alle gestalten? Wenn alle trinken und nur einer oder eine ißt, wird die Hälftigkeit deutlich. Beide Defizite - Wein nicht für alle im üblichen Gottesdienst, sowie das starre Nein zur Wandlungsvollmacht für Frauen und Ehemänner - werden scharf aufgezeigt. Beide halbierten Heilszeichen: die reguläre weinlose Massenkommunion einerseits, die hier vorgeschlagene brotlose Agape andererseits sind in ihrer Symmetrie ein Symbol im wörtlichen Sinn: "Symbolon" - auf Deutsch: Zusammenwurf - leitet sich von dem antiken Brauch her, ein Erkennungszeichen zu zerbrechen; werden beide Hälften später zusammengefügt, dann erweist sich die Wahrheit ihrer ursprünglichen Einheit. Wenn bei der Messe - gegen Jesu Auftrag "Trinkt alle daraus" - Brot ohne Wein ein katholischer Ritus ist, warum dann nicht auch mit Wein ohne Brot einen solchen begehen?

Stellen wir also der amtlich gültigen Kommunionfeier der Männerkirche die ihr korrespondierende der geschwisterlichen Jesusgemeinde an die Seite, in der Hoffnung auf ein Neues Pfingsten, da Gottes Heiliger Geist aus dem Neben-(keineswegs Gegen-!)einander der Hälften des zerbrochenen Zeichens wieder das eine und ganze Sakrament macht, wie Jesus Christus es gestiftet hat.

Deggendorf, Pfingstmontag 2002

(Veröffentlicht in "imprimatur" 3/2003, S. 138)


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