Jürgen Kuhlmann: Kat-holische Gedanken

DIE TATEN DES EINFACHEN GOTTES

Eine römisch-katholische Stellungnahme zum Palamismus

Rom 1963-1965


Ist der Himmel eine Klassengesellschaft? Die Vorstellung ärgerte mich, als ich das Dekret des Konzils von Florenz las, die Seligen sähen "Gott wie Er ist, doch nach der Verschiedenheit der Verdienste der eine vollkommener als der andere". Was bringt Menschen auf eine solche Idee?

Weil ich das erforschen wollte, hatte ich das Thema meiner Dissertation gefunden. Jener Konzilsbeschluß von 1439 war ein geschickter Kompromiß, der den damals ungelösten Widerspruch zwischen den orthodoxen Anhängern des Gregor Palamas (1296-1359) und seinen lateinischen Verächtern elegant verdeckte. Die Lateiner sahen ihr Dogma, im Himmel werde Gottes Wesen geschaut, von jener Formel bestätigt, den Palamiten hingegen schloß die Verschiedenheit des Sehens die Schau des all-einfachen Wesens gerade aus!

Während der Arbeit ging mir auf, daß der bei Katholiken als ketzerischer Narr verschriene Athos-Mönch für uns noch aus anderen Gründen wichtig ist. Sollten wir nicht auch seinem Widerspruch gegen die Lehre des Thomas von Aquin zustimmen, daß Christus - weil göttliche Person - keine wirkliche Beziehung zu seiner Mutter Maria hat? Das schien mir ein arg blinder Fleck der offiziellen katholischen Theologie. Was immer damit gemeint war: Es muß sich besser sagen lassen!

Als ich meinem Doktorvater P. Zoltán Alszeghy SJ das Projekt vorstellte, meinte er trocken: »Über Palamas wollen Sie arbeiten? Das einzige, was ich davon bisher verstanden habe, ist, daß ich es nie im Leben verstehen werde. Aber versuchen Sie es.« Um die Denkwelten von Thomas und Gregor wissenschaftlich solide zu vergleichen, bedurfte es einer dritten, auf die beide sich bezogen; P. Alszeghy schlug Aristoteles oder Dionysius den Areopagiten vor, ihn wählte ich. Allein dieses ideengeschichtliche Dreieck, der erste (historische) Teil meiner geplanten Arbeit, wurde von der Universität schließlich als Dissertation angenommen, die Anmerkung 90, katholische und orthodoxe Kirche seien nur analog Kirchen, wurde vom Zweitkorrektor erzwungen. Die übrigen Teile waren 1965 (die Konzilswogen gingen hoch) den Beurteilern zu spekulativ oder politisch.

Vom Würzburger Augustinus-Verlag als »Die Taten des einfachen Gottes« veröffentlicht wurden 1968 die beiden ersten Teile, zum historischen hinzu auch der dogmatische. Damals fertig waren auch schon der dritte (problemgeschichtliche) und der vierte (systematische) sowie (als Vorbereitung zu diesem) eine Studie über die hochinteressanten aber praktisch so gut wie vergessenen theologischen Kategorien des umstrittenen Gilbert von Poitiers (+ 1154).

Damit die Mühen jener so lebendigen Monate in Rom und San Pastore späteren Forschern vielleicht doch einmal nützlich sein können, seien ihre Ergebnisse hier zugänglich gemacht, zusammen mit zwei Aufsätzen von 1984 über Palamas in einem Mystiker-Buch und in der Zeitschrift »Geist und Leben«, sowie mit der Hoffnung, es werde mir gelingen, einige Folgerungen für das heutige Sprechen der einen Kirche aus diesen Vermittlungsversuchen zwischen Gegensätzen von gestern zu erarbeiten.

Für die Mitteilung entdeckter Schreibfehler und inhaltliche Rückmeldungen bin ich dankbar.

8. Februar 2003


Inhaltsverzeichnis

I. Historischer Teil:

Thomas von Aquin und Gregor Palamas als Dionysius-Erklärer

II. Dogmatischer Teil:

A) Der Palamismus und das Konzil von Florenz

B) "Benedictus Deus" und der Palamismus

[Die Teile I. und II. sind veröffentlicht (Würzburg 1968) und in Bibliotheken einsehbar.

III. und IV. Teil sind jetzt im Internet verfügbar.]

III. Problemgeschichtlicher Teil

Einleitung

A) Die Tat des Schöpfers nach Thomas von Aquin

1) Das Problem: Gottes Einfachheit

2) "Relatio secundum rationem"

3) "Actio"

4) Der Weg zur "relatio subsistens"

B) Die übernatürliche Tat der Vergöttlichung in der lateinischen Theologie

1) Die Schau des Unbegreiflichen

2) Teilhabe an Gott als Gott?

3) Ungeschaffene und geschaffene Gnade
a) Geschaffene Verwirklichung durch
ungeschaffene Wirklichkeit
b) Erste Kritik und Erwiderung
c) Vernichtende Kritik eines Thomisten
d) Antwort eines Jüngers
e) Ein kühner Schritt voran: Rein-formale Aktuierung
f) Die Stimme der Gegenposition .
g) Letzter Beitrag und Zusammenschau
h) Kosmische Theologie

4) Personale Kategorien

5) Waren die Väter rechtgläubig ?

IV. Systematischer Teil

[Vorstudie: ID QUOD UND ID QUO - Der theologische Grundansatz des Gilbert Porreta und seine Bedeutung für die Entwicklung der Theologie]

Einleitung

A) "Neuporretanismus"

1) Natürliche Taten Gottes

2) Übernatürliche Taten Gottes

B) Gottes Endlichkeit

1) Relatio rationis

2) Actio

C) Die Unendlichkeit des Geschöpfes

1) Das geschaffene Wer erhält teil am göttlichen Was

2) Die Verschiedenheit der geschaffenen Personen
hat nicht Anteil an der göttlichen Natur

3) Was heißt: Gott ist unbegreiflich ?

4) Das eine Wer: Idiomenkommunikation

5) Schlichtung der Kontroversen

D) Vergleich der entwickelten Kategorien mit der Existentialtheologie

1) Eschatologische Existenz statt Übernatur ?

2) Eschatologische Existenz und Übernatur

3) Göttlicher, christlicher, kirchlicher Glaube

4) Ausgleich der Gegensätze

Schluß


Literaturverzeichnis zu Teil II - IV

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