Jürgen Kuhlmann: Kat-holische Gedanken

Letzte Zumutung

Eine wahre Geschichte


Ein Kirchenchor-Sänger ging in den Tagen vor und nach dem Tod seines Vaters im Altersheim ein und aus, erlebte bestürzt mit, wie kindisch die Senioren sich im Aufzug zankten, wie jede und jeder von ihnen einsam aufs Ende zu dahintrippelte. Ein Schauder ergriff ihn. So ähnlich würde auch seine Zukunft sein. Da träumte er diesen Traum:

Am Schluß der letzten Probe vor der Hauptprobe zum Großen Konzert holt der Dirignet überraschend einen Stoß Noten aus seiner Mappe und teilt sie den Sängern aus: jeder bekommt noch zwei oder drei Solo-Stücke! Hintergründig lächelnd sagt er: Die lernen Sie bitte schnell noch selber, sie sind ganz leicht. Ich schaue meine drei Blätter an, zum Glück bestehen sie hauptsächlich aus Viertelnoten, zu schaffen könnte das sein. Trotzdem: Eine solche Zumutung ist unerhört. Hätten wir das vorher gewußt, hätten wir uns auf dieses Stück vermutlich nicht eingelassen. Jetzt aber mögen wir es sehr, weil wir die Chorpartien schon kennen - sollen wir das Konzert wegen dieser unerwarteten zusätzlichen Herausforderung gefährden? Nein, beschließt jeder still für sich, solcher Protest ist nicht zu verantworten. Wir nehmen also unsere Solostimmen an uns und werden halt versuchen, im Vertrauen auf die Vernunft unseres Dirigenten auch diese Aufgabe noch zu bewältigen, in der Hoffnung, das Konzert werde alle Mühe lohnen.

Und die Moral von der Geschicht'? Je eher du mit dem Üben anfängst, um so besser.

Juni 1997


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